Wie ist die Idee entstanden, einen Film über Hilde Domin zu machen? Ich war durch Zufall auf ihre Gedichte gestoßen und wollte sie kennenlernen. Das erste Treffen hat mich überrascht, weil die Begegnung direkt so intensiv war. Und natürlich war ich fasziniert von ihrer ausgeprägten Persönlichkeit und ihrer spannenden Lebensgeschichte. Hilde war für mich wie ein lebendiges Buch, in dem ich über das vergangene Jahrhundert lesen konnte. Die 95jährige war erstaunlich wach und schlagfertig, man konnte offen mit ihr reden. Die Domin galt als schwierig, egozentrisch. Wie haben Sie die Arbeit mit ihr erlebt? Der Film zeigt ja sehr deutlich, dass es nicht einfach war. Jedesmal, wenn ich ihr mit der Kamera zu nahe kam, gerieten wir aneinander. Anfangs habe ich tatsächlich sofort ausgeschaltet, wenn sie mich anschrie. Irgendwann wurde mir aber klar, dass unsere Auseinandersetzung Teil des Films werden muss. Deswegen habe ich die Kamera dann weiter laufen lassen. Im Laufe der Zeit ist es, glaube ich, auch zu einem Spiel zwischen uns geworden. Das hatte beinahe etwas von einem Flirt, so ein Spiel zwischen Ablehnung und Zuwendung. Hilde ging es ja vor allem um meine Gesellschaft. Da störte die Kamera sie eher so sehr sie sich auch geschmeichelt fühlte von meiner intensiven Beschäftigung mit ihr. Aber sie hat die Kamera in Kauf genommen und immer öfter ignoriert. Denn sie wusste, wie wichtig es mir war, einen Film zu machen, der mehr zeigt als ‚die Domin‘ , wie man sie kennt. War es von Anfang an geplant, dass Sie als Ein-Frau-Team drehen würden? Zunächst hatte ich überlegt, eine Kamerafrau zu engagieren. Aber erstens hatte ich kein Geld und zweitens wurde mir schnell klar, dass die Nähe, die wir hatten und die ich mir auch für den Film erhoffte, dann nicht hätte entstehen können. Manchmal mußte ich den ganzen Tag auf eine Szene warten, also habe ich Hilde und ihren Lebensrhythmus ziemlich genau kennengelernt, mich an sie angepasst. Ich habe morgens mit ihr gefrühstückt und sie abends ins Bett gebracht. Das schafft natürlich eine viel intimere Atmosphäre als mit einem ganzen Team. Waren Sie denn fertig mit den Dreharbeiten, als Hilde Domin 2006 starb? Zwei Wochen vor ihrem Tod habe ich noch ein sehr intensives und schönes Wochenende mit ihr verbracht und ein paar wichtige Aufnahmen gemacht. Die allerletzten Bilder habe ich dann bei ihrer Beerdigung gedreht. Doch die Auseinandersetzung mit ihrem Tod war ein langwieriger, schmerzhafter Prozess das wurde mir beim Schneiden des Films klar. Im Schnittraum ist sie für mich noch lange lebendig geblieben, und auch nach Monaten ist es mir schwer gefallen, das Ende des Films zu schneiden, weil es darin um ihre Einsamkeit und den Tod geht. Welche Wirkung erhoffen Sie sich von Ihrem Film? Um es mit Hildes Worten zu sagen: ‚Laternen anzünden in den Herzen am Wegrand‘. Es wäre wunderschön, wenn der Film dem ein oder anderen Zugang zu den Gedichten eröffnet. Vor allem aber hoffe ich, dass der Film den Zuschauern Hilde in ihrer Vielschichtigkeit und Einzigartigkeit nahe bringt. Das wünsche ich mir, weil ich sie so sehr mochte und immer noch mag. Und ich denke, im Film wird deutlich, warum.