Durch Zufall stößt die 26jährige Filmemacherin Anna Ditges in einer Buchhandlung auf Hilde Domins ersten Gedichtband mit dem Titel ‚Nur eine Rose als Stütze’. Zutiefst bewegt von der Kraft und Klarheit der lyrischen Sprache der Domin, nimmt sie Kontakt zu der 95jährigen auf. Mit ihrer Kamera und einem Strauß Rosen macht sie sich auf den Weg nach Heidelberg, wo die Dichterin nach Jahren des Exils ein neues Zuhause gefunden hat. Das Kennenlernen der beiden verläuft überraschend: Die Grande Dame der deutschen Nachkriegsliteratur, von Journalisten gefürchtet wegen ihrer Unzugänglichkeit und Arroganz, empfängt die junge unbekannte Filmemacherin mit Wohlwollen und Neugier. Gleich bei der ersten Begegnung zeigt Hilde Domin der filmenden Besucherin ihre Wohnung: die Wände voller Bücher, die hölzerne Taube, die einmal mit ihr begraben werden soll, die Fotos der drei wichtigsten, längst verstorbenen Menschen in ihrem Leben und unzählige Rosen. Anna Ditges ist fasziniert: Für sie, die Hilde Domins Urenkelin sein könnte, verkörpert die ‚Zeitzeugin’ ein Stück deutscher Kultur und Geschichte. Über einen Zeitraum von zwei Jahren, bis zu ihrem Tod im Februar 2006, besucht die Filmemacherin Hilde Domin regelmäßig in Heidelberg, fährt mit ihr auf Lesereisen und in den Urlaub. Die Kamera wird zur ständigen Begleiterin der beiden ungleichen Frauen: Anna Ditges beobachtet den privaten und den beruflichen Alltag von Hilde Domin, filmt sie beim Schreiben, Telefonieren, Vogelfüttern und beim Modellsitzen für ein Portrait. Sie fragt, diskutiert, hakt nach und kommt auf diese Weise der Dichterin erstaunlich nah. Im Laufe ihrer ‚Begegnungen mit Hilde Domin’ entwickelt sich trotz des Altersunterschieds von fast siebzig Jahren eine enge, nicht immer konfliktfreie Beziehung zwischen Filmemacherin und Protagonistin. Der Film ‚Ich will dich Begegnungen mit Hilde Domin’ eröffnet einen subjektiven, sehr konkreten Zugang zur Person und zum künstlerischen Schaffen der Dichterin. Der Zuschauer erlebt mit, wie sich die alte Dame an die Gesellschaft der jungen Frau gewöhnt: Schritt für Schritt verliert sie ihre anfängliche Kamerascheu und gewinnt Vertrauen. Wichtige Stationen im Leben von Hilde Domin werden im Film erinnert und durch Zitate aus ihrem lyrischen Werk, ihren Prosatexten sowie den Fotografien aus ihren privaten Alben gegenwärtig gemacht: die Kindheit als Jüdin in Köln, die Studienzeit in Heidelberg, die Flucht vor Hitler und die folgenden 22 Jahre im Exil, die Rückkehr ins Nachkriegsdeutschland, der späte Ruhm. Allgegenwärtig in Domins Alltag wie im Film ist Erwin Walter Palm, die große Liebe ihres Lebens und ebenfalls ein Dichter. Er starb 1988, doch sein Name steht weiterhin auf dem Klingelschild. Wenn Hilde von Erwin spricht, erfährt der Zuschauer viel über sie selbst: Wunde Punkte wie die Rivalitäten in ihrer langjährigen Ehe, ihre Kinderlosigkeit und ihre Einsamkeit im Alter kommen zur Sprache. Heimat, Identität, Liebe, Verlust zentrale Themen in Domins Gedichten, die auch der Film aufgreift. In Köln, der ‚versunkenen Stadt’, steigt Hilde Domin mit 95 Jahren noch einmal die Treppen des Gründerzeithauses empor, in dem sie groß wurde: mit katholischem Kinderfräulein an der Hand, Goethe unter der Bettdecke und sozialdemokratischen Genossen im Herrenzimmer. Aus der Geborgenheit dieses ersten Zuhauses schöpfte Domin die ‚Kraft des Dennoch’, dank der sie 22 schwierige Jahre im Exil überlebte: ‚von einer Diktatur in die nächste’, das ‚Selbstmordgift in der Tasche’. 1932 sah die politisch engagierte Studentin die Machtergreifung der Nazis voraus und emigrierte mit Erwin Walter Palm nach Rom. Aus Furcht vor den italienischen Faschisten sah sich das junge Paar 1939 gezwungen, weiter zu fliehen: über London bis in die Dominikanische Republik, wo der Diktator Trujillo europäischen Juden Asyl gewährte. Dort schrieb die 42jährige ihr erstes Gedicht. Es war die Geburtsstunde der Hilde Domin, der Dichterin ‚mit dem Namen einer Insel’, die ihr zur zweiten Heimat wurde. Die Sehnsucht nach der Sprache, nach einer ‚Heimkehr ins Wort’ trieb sie 1954 zurück nach Deutschland . In Hilde Domins Schilderungen offenbaren sich zwiespältige Empfindungen und private Katastrophen, von denen die Dichterin nie zuvor gesprochen hat. Ihr tiefes Vertrauen in die junge Autorin prägt auch die gemeinsamen Erlebnisse, welche Anna Ditges in nahen, kontrastreichen Bildern dokumentiert. So entsteht etwa beim Gang über den Heidelberger Friedhof eine Szene, deren Intensität nicht nur der erschöpften alten Frau, sondern auch dem Zuschauer den Atem verschlägt: In einer einzigen, bewegten Kameraeinstellung erleben wir Hilde Domins verzweifelte Suche nach dem Grab ihres Mannes. An Silvester, auf der Schwelle zu ihrem letzten Lebensjahr, erreichen die Telefonanrufe der Dichterin niemanden mehr. Die Nummern in ihrem Adressbuch gehören zu Menschen, die sie längst überlebt hat. Doch nicht alle ‚Begegnungen’ im Film sind Schicksalhaft und schwer. In einer Schlüsselszene des Films verfolgt die Kamera mit, wie der Bildhauer Thomas Duttenhoefer vor ehrfurchtsvollem Publikum eine Büste von Hilde Domin formt eine Situation voll subtiler Ironie, dynamisch gestaltet durch die unkonventionelle Montagetechnik der Filmemacherin. Anna Ditges setzt drastische Aufnahmen bewusst gegen Momente stiller Teilnahme und humorvoller Beobachtung. Wechselnde Stimmungen reihen sich aneinander wie Erinnerungen, verbunden durch ein Gedicht, ein Bild, ein Gespräch oder durch eine Rose, die in Domins Lyrik symbolisch für die Sprache steht und im Film zum zentralen Leitmotiv wird. ‚Ich will dich Begegnungen mit Hilde Domin’ ist der erste abendfüllende Dokumentarfilm einer jungen Filmemacherin. Durch die hartnäckige Auseinandersetzung mit ihrer Protagonistin gelingt Anna Ditges ein intimes Portrait der Grande Dame der deutschen Nachkriegsliteratur. Sie zeigt Hilde Domin, wie sie sie erlebt hat: sensibel, schroff und eigenwillig, eine Egozentrikerin mit bissigem Humor und voller Charme und zunehmend liebevoll gegenüber der jungen Frau mit der Kamera.
In a bookstore, by sheer coincidence, 26-year old film-maker Anna Ditges comes across a small book entitled “Only a Rose for Support” the first collection of poems by Hilde Domin. Profoundly moved by the power and lucidity of Domin’s lyrical voice, she gets in contact with the 95 year-old poetess, takes up her camera and a bunch of roses and travels to Heidelberg, the town where Hilde Domin has found a new home after long years in exile. The encounter between the two women is a great surprise: the Grande Dame of German Post-War literature, generally feared by journalists because of her distant and arrogant attitude, welcomes the unknown young film-maker with warmth and curiosity. At their very first meeting, Hilde Domin takes her filming visitor on a tour around her apartment: the walls covered with bookshelves, the wooden dove that is to be buried together with her, the framed pictures of her three long-dead loved ones and roses in each and every corner. Anna Ditges is fascinated: to her, a woman young enough to be the poetess’ great-grandchild, Hilde Domin seems like a live relic of the past century, an embodiment of German culture and history. Through a period of almost two years, until the poetess’ death in February 2006, the film-maker visits Hilde Domin regularly and travels with her to readings and on holiday. During this time, the two dissimilar women are accompanied by a third one: the camera. Anna Ditges records Hilde Domin’s everyday life, private and professional, she films her at the typewriter, on the phone, feeding the birds on her balcony, or sitting as model for a portrait. She asks questions, provokes discussions, keeps challenging and insisting and thereby manages to get remarkably close to the poetess. In the course of their numerous encounters, a relationship evolves between director and protagonist: an intense friendship, despite the many tensions between them, and despite an age gap of almost 70 years. The documentary film “I want you” offers a subjective and very direct access to the personality and to the artistic work of the poetess. The audience witnesses how the old lady gets accustomed to the company of the young woman. Step by step she loses her fear of the camera and begins to gain trust. Using quotations from her poems, her prose and the pictures from her private albums, the film remembers and brings to life the many different stages in the life of Hilde Domin: her childhood as a Jewish child in Cologne, her student life in Heidelberg, the escape from Hitler and the following 22 years in exile, the return to post-war Germany and her late fame as a poetess. In Domin’s everyday life as well as in the film, there is one constant figure: Erwin Walter Palm, the love of her life, and also a poet. He died in 1988 but his name still remains on the doorbell. When Hilde speaks of Erwin, the audience learns even more about herself: weak points are touched, such as the rivalries in her long marriage, her childlessness and her solitude in old age. Home, Identity, Love, Loss these are central themes in Domin’s poems taken up by the film. In Cologne, for her the “sunken city”, 95 year-old Hilde Domin climbs once again up the stairs of the old upper-class house where she grew up with Catholic maids, Goethe after bed-time and Social Democrat comrades in the drawing room. It was the feeling of safety in this first home, Domin says, that gave her the strength to later survive more than 20 troubled years abroad: “from one dictatorship into the next”, “the suicide pills always in our pockets”. In 1932, as a politically engaged student, she could foresee the upcoming threat of the Nazis’ seizure of power and decided to emigrate to Rome, together with Erwin Walter Palm. In 1939, out of fear of the Italian fascists, the couple moved on to London and from there to Santo Domingo. In the Dominican Republic, dictator Trujillo was granting asylum to European Jews. Here, at the age of 42, Hilde Palm wrote her first poem an event that marked her “second birth” as Hilde Domin, a poetess “with the name of an island” that had become her second home. It was the longing for words, in her own language, that made her decide to move back to Germany in 1954: a “return home into the word”. Telling the stories of her life, Hilde Domin reveals ambiguous feelings and private catastrophes that she has never talked about in front of a camera. Her trust and confidence in the young director also becomes visible in their shared experiences, as is documented by Anna Ditges‘ close and contrasting images. From their walk across the cemetery in Heidelberg, for example, evolves a scene whose intensity is, in the true sense of the word, breathtaking for the audience as well as for the old lady with the rose in her hand. In one single take, Anna Ditges films Hilde Domin‘s desperate search for her husband‘s grave; and in the wrinkled face we see, close-up and moving, her grief, the growing exhaustion, a desperate loneliness. On New Year‘s Eve, on the threshold to the last year of her life, Hilde Domin‘s telephone calls will hardly reach anybody: the numbers in her address book belong to people who she has long survived. However, not all of the encounters in the film are that somber. In one of the key scenes of the film, the camera observes renowned sculptor Thomas Duttenhoefer creating a bust of Hilde Domin in front of a devoted audience: a situation full of dynamics and subtle irony, thanks to the film-maker‘s unconventional montage technique. Anna Ditges contrasts drastic images with moments of discrete participation and humorous observation. One change in atmosphere follows the other like a chain of memories, linked by a poem, an image, a conversation. Or by a rose, symbolizing language in Domin‘s poetry and one of the key motifs of the film. “I want you Meeting Hilde Domin” is the first feature-length documentary of a young film-maker. Through her extraordinary involvement with her protagonist, Anna Ditges succeeds in portraying the famous poetess in a very intimate way. She shows the Hilde Domin she met herself: sensitive, self-centered and strong-willed, a diva with biting humour and great girlish charm and with a growing affection towards the young woman with the camera.